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Titel
Gastort Thun. Historisch – touristisch – nostalgisch


Autor(en)
Schletti, Isabelle; Keller, Jon
Erschienen
Oberhofen 2012: Zytglogge Verlag
Anzahl Seiten
192 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Anna Bähler

Im 19. Jahrhundert war Thun eine aufstrebende Touristenstadt, einerseits als Etappenort für Reisende, die von Bern ins Berner Oberland gelangen wollten, andererseits aber auch als Reisedestination. Der ehemalige Thuner Stadtarchivar Jon Keller publizierte letztes Jahr gemeinsam mit Isabelle Schletti ein sorgfältig gestaltetes Buch, welches den Tourismus in Thun vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis ins beginnende 20. Jahrhundert thematisiert. Während sich Isabelle Schletti eher den allgemeinen Aspekten des Thuner Tourismus widmet, nimmt sich Jon Keller der berühmten Menschen an, die Thun besuchten oder sich zeitweise auch hier niederliessen.

Die Publikation bietet einen Überblick über die frühe Reiseführerliteratur und befasst sich mit der Frage, wieso die ersten Touristen Thun als Etappenort auf ihrer Grand Tour durch Europa wählten. Auch wenn es schon vor dem Bau der Eisenbahn möglich war, die Strecke Bern – Thun – Unterseen in einem Tag zu bewältigen, so entschlossen sich doch viele Reisende, in Thun zu übernachten. Manche verbrachten auch einige Tage oder gar Wochen in Thun. Attraktiv waren das milde Klima am Thunersee und die schöne, zu Spaziergängen einladende Umgebung der Stadt. Doch wirklich punkten konnte Thun mit der Aussicht vom Schlossberg auf den See und die Berner Alpen.

Einen breiten Platz im Buch nimmt die Geschichte und Entwicklung der wichtigsten Thuner Hotels ein. Die Übernachtungsmöglichkeiten verbesserten sich im Lauf des 19. Jahrhunderts ständig. Bis in die 1830er-Jahre waren der Freienhof und das Weisse Kreuz die besten Unterkünfte. Ab 1834 bauten die Gebrüder Knechtenhofer mit dem Hôtel des Bains de Bellevue in Hofstetten einen Hotelkomplex auf, der gemäss Baedekers Handbüchlein für Reisende (1844) zu den besten Gasthöfen der Schweiz zählte – neben dem Falken in Bern, dem Trois Couronnes in Basel und dem Hotel Baur in Zürich. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden in Thun weitere Unterkünfte für eine gut situierte, internationale Gästeschar, so zum Beispiel die Hotels Victoria & Baumgarten, die Pension Itten und das Grand Hotel Thunerhof. Mit dem Ersten Weltkrieg fand die goldene Zeit der Thuner Hotellerie ein Ende. Sie geriet in eine tief greifende Krise, von der sie sich nur noch teilweise erholen konnte.

Als Touristendestination bot Thun seinen Gästen auch gesellschaftliche und kulturelle Veranstaltungen. So fanden zum Beispiel im grossen Saal des Freienhofs Konzerte, Bälle oder Theateraufführungen statt, die auch bei den Thunerinnen und Thunern grossen Anklang fanden. Ausserdem gab es Attraktionen wie Pferde- und Velorennen, Seenachtsfeste, Feuerwerksvorführungen oder nächtliche Dampfschifffahrten. Verschiedene Vereine setzten sich für die Förderung des Thuner Fremdenverkehrs ein, so etwa der Verschönerungsverein, der Kurverein oder der Wirteverein. Der Verkehrsverein war zuständig für die Werbung und gab ab 1903 das Fremdenblatt von Thun und Umgebung heraus.

In Thun fanden sich verschiedene berühmte Gäste ein. Dem Maler Marquard Wocher, der sich in den Jahren um 1800 mehrmals in Thun aufhielt, verdankt die Stadt ein monumentales Rundgemälde, das Thun-Panorama. Ein weiterer berühmter Maler, Ferdinand Hodler, absolvierte von 1867 bis 1870 beim Thuner Ferdinand Sommer eine Lehre für Kunstmalerei. Auch Musiker und Dichter zog die Stadt an: Johannes Brahms, Ralph Benatzky und Heinrich von Kleist verbrachten hier längere Zeit. Rilke kam am 6. September 1922 in Thun vorbei, wo ihm die Antiquitätenhändlerin und heimliche Dichterin Margaritha Born ihre Ware so billig anbot, dass es ihm unheimlich zu werden begann. Napoleon III. verbrachte in den Jahren 1830, 1832, 1833 und 1836 insgesamt rund vier Monate auf dem Waffenplatz und besuchte 1865 Thun als französischer Kaiser. 1930 logierte der König Feisal I. von Irak mit seiner grossen Entourage zwei Wochen lang im Thuner Hof. Er besuchte die Selve und Truppenübungen auf dem Waffenplatz. Zudem unternahm er verschiedene Ausflüge, so zum Beispiel nach Luzern, Bern und an den Blausee.

Dem Aufenthalt dieser acht berühmten Gäste geht die Publikation in genau recherchierten, unterhaltsam zu lesenden Berichten nach. Überhaupt ist die Lektüre und das Durchblättern des Buches ein Vergnügen, schon weil es reichlich mit interessanten Illustrationen versehen ist. Sehr hilfreich für weitere Forschungen zum Thema Thun und Tourismus ist zudem das umfangreiche Literaturverzeichnis.

Zitierweise:
Anna Bähler: Rezension zu: Schletti, Isabelle; Keller, Jon: Gastort Thun. Historisch – touristisch – nostalgisch. Oberhofen: Zytglogge Verlag 2012. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 75 Nr. 4, 2013, S. 82-83.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 75 Nr. 4, 2013, S. 82-83.

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